Um diese Frage zu beantworten, braucht man sich nur vorzustellen wie es ohne eine geordnete Namensgebung, auch Nomenklatur genannt, zu– und hergehen würde. Verwechslungen wären an der Tagesordnung, da eine Pflanze nicht in allen Regionen und Dialekten den gleichen deutschen Namen hat. Weltweit wäre eine Verständigung sowieso unmöglich.
Hier ein Beispiel: Augenwurz, Butterblume, Dandelion, Hundsblume, Kettenblume, Kuhblume, Löwenzahn, Pusteblume, Pfaffendistel, Saublume, Sonnenwirbel, Wiesenlattich usw. Das sind nicht zwölf verschiedene Pflanzen, sondern diese Namen stehen für ein und dieselbe, allen Leuten bekannte Pflanze, botanisch Taraxacum officinale genannt. Mit diesem botanischen Namen wissen alle Wissenschaftler, Botaniker, Apotheker, Gärtner usw. um welche Pflanze es sich handelt. Das geht über die Sprachgrenzen hinaus und rund um den Globus. Es ist sozusagen das Esperanto der Pflanzen. Hinzu kommt, dass viele Pflanzen, insbesondere die Fremdländischen, über keinen deutschen Namen verfügen. Doch wie entstand dieses Ordnungssystem der Pflanzennamen?
Der Schwede Carl von Linné (1707 – 1778) war einer der bedeutendsten Wissenschaftler seiner Zeit. Sein Schaffen hat bis in die heutigen Tage seine Gültigkeit behalten. Ausgangspunkt für die heutige Pflanzen-Nomenklatur, die Namensgebung, ist sein Werk "Species plantarum" aus dem Jahr 1735. Das System Linnés war viel einfacher und logischer als die bisherigen Ansätze der Namensgebung. Deshalb setzte sich dieses System innerhalb weniger Jahrzehnte durch. Die erste Ausgabe umfasste 10 Seiten, die Dreizehnte, 35 Jahre später, bestand bereits aus mehr als 3'000 Seiten.
Die Grundidee war, dass sich der Aufbau der Blüten, bzw. die Fortpflanzungsweise der Pflanzen als Grundlage der Klassifikation eigneten. Die bis dahin sehr langen und umständlichen Namen ersetzte Linné durch Doppelnamen. Der erste Name steht für die Gattung und der Zweite für die Art innerhalb der Gattung. Dieses Doppelnamen-System wird binäre oder binominale Nomenklatur genannt und hat seine Gültigkeit bis heute bewahrt.
Ein schönes Beispiel ist die Familie der Rosengewächse, Rosaceae genannt. Hauptmerkmal dieser Familie sind fünf Blütenblätter. Zu den Vertretern dieser Familie gehören neben der Rose, Apfel, Birne, Kirsche, Zwetschge usw. auch die Mandel, Prunus dulcis. Der Gattungsname (Prunus) wird immer gross und der Artname (dulcis) immer klein geschrieben. Wenn es sich um eine gärtnerische Züchtung handelt, dann wird ein dritter Name, ein Sortennamen angefügt, welcher immer in einfache Anführungszeichen gesetzt und gross geschrieben wird, z.B. Potentilla fruticosa 'Goldfinger' (Fingerstrauch).
Die Namen werden auf internationalen botanischen Kongressen von Botanikern festgelegt. Auch wenn das "Botanische" für viele Menschen "Spanisch" klingt, so sind die Namen aus der lateinischen oder altgriechischen Sprache. Die Namen können teilweise Auskunft geben über die Herkunft einer Pflanze, z. B. Salix helvetica bedeutet Weide aus der Schweiz stammend, auch Schweizerweide genannt. Das Wort officinalis gibt Auskunft über die heilenden Eigenschaften und die Verwendung in Apotheken, zum Beispiel der Salbei: Salvia officinalis. Die Namen können auch die Farbe oder die Blattform beschreiben, wie das Beispiel vom Fieberklee, Menyanthes trifoliata, mit einem dreigeteilten Blatt und dem Gelben Fingerhut, Digitalis lutea, mit gelben Blüten, zeigt.
Die Namen können teilweise eine richtige Herausforderung beim Lernen und auch bei der Aussprache sein. Gute Beispiele sind Kirengeshoma palmata (Wachsglocke), Hakonechloa macrantha (Japangras), Hibanobambusa tranquillans (Bambus), Eleutherococcus sieboldianus (Fingeraralie) oder Heptacodium miconioides. Beim Letztgenannten ist der deutsche Name auch nicht ganz einfach – Sieben-Söhne-des-Himmels-Blume.
Doch man sollte das als sportliche Herausforderung annehmen und sich nicht darüber ärgern. Im Gegenteil, dieses Hirnjogging ist der perfekte Ausgleich zu der körperlichen Gartenarbeit. Fitness für Körper, Geist und Seele beginnt im Garten! Und schon bald können Sie auf die Frage "Sprechen Sie botanisch?" stolz mit "Ja" antworten
PS: Wir hoffen, dass wir mit diesem Artikel angehende Gärtner-Lehrlinge nicht allzu sehr erschreckt haben. Es sieht schwieriger aus als es ist. Durch den täglichen Gebrauch der botanischen Namen bleiben sie mit der Zeit fast von alleine im Gedächtnis haften.!