Das Aus für Kirschlorbeer und Tessiner Palme

Nach dem Beschluss des Bundesrates tritt am 1. September 2024 die angepasste Freisetzungsverordnung in Kraft. Darin sind auch Garten-Klassiker wie die Tessiner Palme, der Schmetterlingsstrauch, der Kirschlorbeer oder der Blauglockenbaum aufgelistet. Sie zu verkaufen, zu vermehren, zu verschenken oder einzuführen, ist ab diesem Stichtag verboten.

Kirschlorbeer ist als Heckenpflanze sehr beliebt, stellt aber eine Bedrohung für die einheimische Vegetation dar.
Kirschlorbeer ist als Heckenpflanze sehr beliebt, stellt aber eine Bedrohung für die einheimische Vegetation dar.

Würden in der Schweiz nur Pflanzenarten wachsen, die es seit jeher hier gibt; hierzulande sähe es völlig anders aus. Kartoffeln, Tomaten, zahlreiche Ziergräser und Gartenstauden – zig Pflanzen, die unsere Nutz- und Hausgärten verschönern – stammen ursprünglich aus anderen Ländern, und viele von ihnen sind als Lebensmittel unverzichtbar. Man bezeichnet sie als «Neophyten», ein Begriff, der sich aus dem Griechischen νέος (neos) «neu» und φυτόν (phyton) für «Pflanze» zusammensetzt. Der Begriff beschreibt Pflanzen, die mit der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 hierzulande entweder absichtlich – wie die Kartoffel – eingeführt oder aus aller Welt versehentlich eingeschleppt wurden.

Die Neophyten verursachen Schäden

In der Schweiz kommen laut BAFU aktuell rund 730 gebietsfremde Gefäs­spflanzen wildlebend vor. «Gefässpflanzen» ist eine Sammelbezeichnung für Farn- und Samenpflanzen – zu Letzteren gehören alle, die wir gemeinhin als «Pflanzen» bezeichnen, also Bäume, Sträucher, Blumen, Gräser. Nach aktuellem Stand gelten davon insgesamt 88 Arten als invasiv, wobei 56 Arten nachweislich Schäden verursachen und bei 32 Arten von Schäden auszugehen ist (Zahlen: BAFU (Hrsg.) 2022: Gebietsfremde Arten in der Schweiz. Übersichtüber die gebietsfremden Arten und ihre Auswirkungen. 1. aktualisierte Auflage 2022. Erstausgabe 2006. Bundesamt für Umwelt, Bern. Umwelt-Wissen Nr. 2220: 62 S.).

Konsequenzen für den Lebensraum

«Invasiv» heisst, dass sie sich sehr schnell und auf Kosten der heimischen Flora ausbreiten und diese schädigen. Allfälligen «Feinden» im neuen Lebensraum sind diese Pflanzen noch unbekannt. Deswegen gibt es keine natürlichen Kont­rollinstanzen wie im Herkunftsgebiet, die sie im Gleichgewicht halten. Da die Pflanzen schnell wachsen und sich unkontrolliert verbreiten, gefährden sie im neuen Lebensraum die biologische Vielfalt. Sie können einheimische Arten verdrängen oder hybridisieren, ökologische Faktoren verändern und die Funktion einheimischer Ökosysteme beeinträchtigen. Zudem können sie Krankheiten und Parasiten übertragen. Für den Menschen stellen sie dann eine Gefahr dar, wenn sie durch toxische oder allergene Stoffe Gesundheitsprobleme auslösen – ein Beispiel dafür ist der Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum).

Bis zu 4'300 Samen pro Jahr

Hinzu kommt: Invasive Arten können beträcht­liche ökonomische Schäden an Gebäuden anrichten und Probleme in der Land- und Forstwirtschaft verursachen – so beispielsweise das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera). Die Fachwelt kennt es als Therophyt, womit ein pflanzlicher Überlebenskünstler gemeint ist, der den Winter oder Trockenphasen in Form von Samen überdauert. In kürzester Zeit kann die Pflanze, die ursprünglich in der Himalaya-Region beheimatet ist, Wuchshöhen von über zwei Meter erreichen und damit benachbarte Pflanzen überwuchern. Sind sie reif, kann sie ihre sehr kälteresistenten Samen bis zu sieben Meter weit wegschleudern. Bis zu 4300 Samen kann eine einzelne Pflanze pro Jahr produzieren – diese bleiben über mehrere Jahre keimfähig. Und da das Drüsige Springkraut gerne an Bach- und Flussrändern wächst, trägt das fliessende Wasser dazu bei, die Samen über weite Entfernungen zu verteilen. Die Folge sind Bachläufe, an denen links und rechts nichts anderes mehr zu sehen ist als das Drüsige Springkraut. Bereits im Jahr 1839 wurde es als Gartenpflanze nach Europa gebracht. Seit 2008 verbietet die revidierte Freisetzungsverordnung FrSV, das Drüsige Springkraut in den Verkehr zu bringen, zu importieren und zu verkaufen.

Eigentlich wächst die Tessiner Palme hier nicht

Nach dem Beschluss des Bundesrates tritt am 1. September 2024 die angepasste Freisetzungsverordnung in Kraft. Darin sind auch «Garten-Klassiker» wie die Tessiner Palme, der Schmetterlingsstrauch, der Kirschlorbeer oder der Blauglockenbaum aufgelistet. Sie zu verkaufen, zu verschenken, zu vermehren, anzupflanzen oder einzuführen, ist ab diesem Stichtag verboten. Pflanzen, die sich bereits im Garten befinden, müssen aber nicht entfernt werden.

Dass Garten-Lieblinge wie die Tessiner Palme oder der Kirschlorbeer von einem Tag auf den anderen vom Freund zum Feind erklärt werden, ist nicht für alle verständlich. Allerdings: Die Tessiner Palme (Trachycarpus fortunei) – die korrekte deutsche Bezeichnung lautet «Chinesische Hanfpalme» – hat sich südlich der Alpen in grossem Ausmass ausgebreitet. In einigen Tessiner Wäldern ist sie zu einem grossen Problem geworden und drängt heimische Pflanzen massiv zurück. Hier bildet sie lokal geschlossene Bestände, in denen die Ökosystemleistungen des Waldes – dazu gehören zum Beispiel CO 2 -Bindung durch Kohlenstoffspeicherung, Verfügbarkeit von Lebensraum für unterschiedliche Tier- und Pflanzenarten, Luftfilterung, Sauerstoffproduktion und vieles mehr – beeinträchtigt werden könnten. Hanfpalmen schwächen die Schutzfunktion von Wäldern vor Naturgefahren, weil ihr Wurzelsystem sich nur in der Nähe des Stamms entwickelt und sie daher nur begrenzt den Boden stabilisieren. Und weil sich viel trockener und abgestorbener Blattballast an ihren Stämmen ansammelt, gehen Forschende von einer erhöhten Waldbrandgefahr aus. Gegenwärtig beschränkt sich die Chinesische Hanfpalme auf die Wälder der tieferen Lagen (< 900 m ü. M.). Doch mit dem Klimawandel ist davon auszugehen, dass sie in Zukunft auch höhere Lagen besiedeln wird.

Als Heckengehölz beliebt – aber eine Gefahr für die Vielfalt

Auch der Kirschlorbeer bzw. die Lorbeerkirsche (Prunus laurocerasus) ist ab dem 1. September 2024 verboten. Ursprünglich stammt der Strauch aus Kleinasien. Hierzulande war er über Jahrzehnte ein beliebtes Heckengehölz, denn er ist immergrün, pflegeleicht, schnittverträglich, bietet Sicht- und einen gewissen Schallschutz. Allerdings sind die Blütenstände und Früchte für die einheimische Tierwelt grösstenteils wertlos. Zudem sind alle Pflanzenteile, vor allem Blätter und Samen, giftig. Wer sie verzehrt, nimmt beim Zerkauen giftige Blausäure zu sich. Für Vögel allerdings nicht: Sie fressen die Beeren und fördern damit die Ausbreitung des Kirschlorbeers, speziell in den Wäldern. Hier verdrängt der Strauch mit seinem dichten Blätterwerk die einheimische Vegetation und behindert die natürliche Verjüngung.

Die Anpassungen der Freisetzungsverordnung sollen verhindern, dass zusätzliche invasive gebietsfremde Pflanzen in die Umwelt gelangen und sich weiter ausbreiten. All dies entspricht den Zielsetzungen der Schweizer Strategie zu invasiven gebietsfremden Arten.

Durch die Globalisierung und den internationalen Handel sowie die wachsende Reise- und Handelstätigkeit werden ständig Tiere, Pflanzen und Pilze aus ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet in neue Gebiete gebracht. Hinzu kommt, dass der Klimawandel ihre Verbreitung begünstigt. So kann es wie in diesem Jahr geschehen, dass lieb gewonnene Gartenpflanzen den Status «invasiver Neophyt» erhalten. Dazu ist zu wissen: Sowohl die Anzahl der gebietsfremden Arten als auch der invasiven gebietsfremden Arten nimmt stetig zu. Laut BAFU ist zu erwarten, dass dieser Trend auch weiterhin anhalten wird: Modellberechnungen gehen für Europa bis 2050 von zusätzlichen 2500 gebietsfremden Arten aus.

Kirschlorbeer ist als Heckenpflanze sehr beliebt, stellt aber eine Bedrohung für die einheimische Vegetation dar.
Kirschlorbeer ist als Heckenpflanze sehr beliebt, stellt aber eine Bedrohung für die einheimische Vegetation dar.
Die Chinesische Hanfpalme – vielen besser bekannt als Tessiner Palme – hat sich südlich der Alpen beträchtlich ausgebreitet. Auch sie findet in der neuen Freisetzungsverordnung Erwähnung, da sie die Ökosystemleistungen der Wälder beeinträchtigen kann.
Die Chinesische Hanfpalme – vielen besser bekannt als Tessiner Palme – hat sich südlich der Alpen beträchtlich ausgebreitet. Auch sie findet in der neuen Freisetzungsverordnung Erwähnung, da sie die Ökosystemleistungen der Wälder beeinträchtigen kann.
Auch Schmetterlingsflieder, hier die Sorte «Summer Beauty», zählen zu den invasiven Neophyten.
Auch Schmetterlingsflieder, hier die Sorte «Summer Beauty», zählen zu den invasiven Neophyten.
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