Woher stammt eigentlich der Begriff Baumschule? Ist es wahr, dass Bäume in die Schule gehen müssen, vom Lehrer erzogen werden, um nach Vollendung der Schulung fähig zu sein, alleine die grosse weite Welt zu entdecken?
In diesem Artikel erfahren Sie, was die Baumschule mit der Schule gemeinsam hat, woher der Begriff stammt, wo sich das Klassenzimmer befindet und vor allem wer die Zöglinge zu «schulen» hat.
Auf Italienisch heissen die Baumschulen «vivai», was soviel wie Lebens- oder Gewächsort bedeutet. Im Englischen spricht man von einer «tree nursery». «nursery» kommt vom Wort «nurse» was so viel bedeutet wie pflegen oder aufziehen. Eine «nurse» ist auf Deutsch eine Säuglings-/Krankenschwester oder eine Amme. Der Baum (tree) wird also in der «nursery» gepflegt und gehegt. In der französischen Sprache spricht man von einer «pépinière». Das Wort kommt von «pépin», den Kernen (Samen), aus denen in der «pépinière» Pflanzen und Bäume herangezogen werden und im Holländischen heisst es «Boomkwekers» was soviel wie Baumzüchterei bedeutet.
Der Begriff Baumschule hat seinen Ursprung darin, dass in einer Baumschule die Gehölze aufgeschult (was so viel heisst wie «angepflanzt») und anschliessend über Jahre herangezogen werden. Spätestens alle fünf Jahre werden sie ausgegraben und verpflanzt. In der Fachsprache wird das Wort «verschult» verwendet. Dieser ganze Prozess lässt sich sehr wohl mit dem Schulalltag vergleichen.
Die Baumschule ist sozusagen das «Klassenzimmer» der Jungpflanzen.
Es besteht aus einer Anbaufläche, auf der Bäume, Sträucher, Stauden, Rosen- und Obstgehölze angepflanzt, vermehrt, gepflegt und grossgezogen werden. Mit den Jahren wachsen die Gehölze zu einer gewissen Grösse heran. Jetzt ist die Schulzeit vorbei und sie werden in die grosse, weite Welt entlassen. Sie werden von Wiederverkäufern (z.B. Gartenbauer) oder Endkunden, wie z.B. Gartenbesitzern, übernommen.
Vor allem vom Herbst bis zum Frühjahr, wenn Bäume und Sträucher in der Ruhephase sind und somit gut ausgegraben und verpflanzt werden können, herrscht in der Baumschule Hochsaison. Dann werden die Pflanzen für den Verkauf und den Versand hergerichtet. In dieser Zeit werden auch die Pflanzen verschult (verpflanzt), welche bereits 4 bis 5 Jahre am gleichen Standort gestanden sind. Selbstverständlich werden heutzutage auch viele Pflanzen in Töpfen (Container) herangezogen. Das hat den Vorteil, dass sie das ganze Jahr über, z.B. auch im Sommer, verpflanzt werden können.
Wenn man bei der Schulmetapher bleibt, ist der Baumschulist der Lehrer oder Erzieher der jungen Pflanzen.
Die Ausbildung zu diesem Beruf besteht aus einer dreijährigen Berufslehre in einer anerkannten Baumschule. Der theoretische Teil wird einmal pro Woche an der Berufsschule und in spezifischen Blockkursen vermittelt. Die Berufsausbildung kann auch an Gartenbauschulen absolviert werden. Nach bestandener Abschlussprüfung kann sich der Baumschulist vielseitig weiterbilden oder an einer Fachhochschule ein Studium wie zum Beispiel Hortikultur oder Landschaftsarchitektur absolvieren.
Der Baumschulist kennt die botanischen Namen der verschiedenen Pflanzen und ihre spezifischen Bedürfnisse. Er weiss, welches Umfeld jedes Gewächs braucht. Das fängt bei der Vermehrung an, geht über die Pflege, das Formieren und endet in der Kundenberatung respektive beim Verkauf der Pflanzen. Schlussendlich lebt auch der «romantischste Baumschulist» nicht nur von der Freude an den Bäumen und Sträuchern.
Die Gehölze werden, je nach Pflanzenart, entweder aus Samen oder aus Stecklingen angezogen, oder sie werden veredelt. Kleine und junge Gehölze brauchen wenig Platz, wachsen aber überdurchschnittlich schnell – wie Kinder auch. Wenn sie dann älter werden, wachsen sie mehr im Charakter als in der Höhe und brauchen darum mehr Platz, damit sie sich optimal entfalten können.
Der wichtigste Zweck des Umpflanzens ist aber, den Wurzelballen so kompakt und vital zu halten, damit nach dem Einpflanzen beim Kunden das Anwachsen der Pflanze erfolgreich verläuft. Auf dieses Ziel hin werden die Gehölze geschult. Konkret heisst das, dass ein Gehölz in der Baumschule mindestens alle 5 Jahre verschult (verpflanzt) werden muss. Mit dieser Massnahme wird die Pflanze gezwungen, nahe beim Zentrum (Stamm) junge, vitale Wurzeln zu bilden. Diese sind entscheidend für die Wasser- und Nährstoffaufnahme und damit ganz direkt für das Überleben. Diese aufwändige Erziehung berechtigt auch den Preis für grosse Gehölze.
Die Kunst des Anziehens von Gehölzen aus Stecklingen wurde wahrscheinlich von den Römern über die Alpen gebracht. Im Mittelalter wurden Pflanzen meist in den Klostergärten vermehrt und angebaut. Seit dem 14. Jahrhundert entstanden Fürstengärten mit eigener Pflanzenkultur, und seit der Barockzeit entstanden an den Hofgärten und bei den Parks der Adelssitze eigene Baumschulen, die weithin Handel trieben. Besondere Sortimente, wie zum Beispiel geschnittene Formgehölze oder besondere Spalierformen erlebten, eine grosse Blütezeit.
Nach dem Dreissigjährigen Krieg verjüngte man erstmals Wälder systematisch durch Setzlinge.
Aus der Neuen Welt kamen zahlreiche Raritäten nach Mitteleuropa, die heute noch begehrte Zierbäume und -sträucher unserer Gärten und Anlagen sind.